Heute ist Europatag, genauso wie es den Nichtrauchertag, Tag der Jogginghose (kein Witz!) oder Tag der Erde oder auch Tag der Logistik gibt. Reichlich inflationär solche Tage… Grund genug für mich, mich mal anders mit Europa zu beschäftigen.
Okay, wenn du den heutigen ‘Europatag’ zum Anlass nehmen möchtest, dich mit Europa als EU intensiver zu befassen, dann lege ich dir die offizielle Website ans Herz. Wäre allerdings schön, wenn du danach wieder zu mir und Leben mit allen Sinnen zurückkehrst 😉
Europa … die Tochter
Ein paar Hintergrundinfos vorab:
Unser Erdteil wurde nach der schönen Europa benannt, die aus Asien stammte. Die Wiege der europäischen Kultur lag in Asien. Von der syrischen Mittelmeerküste, wo sich die Einflusszonen der uralten Hochkulturen Babyloniens und Ägyptens überschnitten, übernahmen schon im dritten Jahrtausend v. Chr. die Bewohner Kretas ein Verwaltungssystem, das auf der Verwendung der Schrift beruhte und von stadtartigen Palästen aus gesteuert wurde. Um 1200 v. Chr. wurde diese minoische Kultur – die älteste Hochkultur auf europäischem Boden – wie ihr Ableger auf dem griechischen Festland, die ‚mykenische‘ Kultur, durch von Norden nach Griechenland eindringende Stämme gewaltsam zerstört und Griechenland versank in Barbarei.
Im 8.Jahrhundert v. Chr. begannen die Griechen wieder in Städten zusammenzuwohnen, fuhren zur See und begannen Handel zu treiben. Erneut war es die östliche Mittelmeerküste, von der sie entscheidende Anregungen erhielten. Von den Phöniziern, die damaligen Bewohner der Küstenstädte, übernahmen sie die Alphabetschrift, verzierten ihre Keramik mit orientalischen Fabelwesen wie z.B. der Sphinx. Weiter übernahmen sie diverse Elemente orientalischer Religionen und Mythen.
Dieser kurze Abriss soll helfen, die mythische Geschichte Europas zu verstehen. Die Sage verarbeitet und erinnert recht anschaulich die Jahrhunderte lange geschichtliche Entwicklung.
Die schöne Europa
Europa war die Tochter König Agenors von Sidon oder Tyros – also einer der großen phönizischen Seestädte. Manche berichteten, dass der König selbst aus Ägypten gekommen sei, dem uralten Land am Nil. Ägypten war bekannt für seine engen Handelsbeziehungen mit den Phöniziern. Damals waren Entführungen in Königshäusern wohl Gang und Gäbe, daher behütete Agenor seine schöne Tochter Europa wie seinen Augapfel. Wer ihr also näher kommen wollte ohne dass König Agenor es bemerkte, musste sich was einfallen lassen. Der griechische Göttervater Zeus, heute als echter Schwerenöter bekannt, hatte sich in Europa verliebt. Er war sehr kreativ und umsichtig. Er verwandelte sich in einen schönen aber lammfrommen Stier und mischte sich unter die Tierherde von König Agenor, die zu diesem Zeitpunkt in der Küstenebene, nahe am Strand des Mittelmeeres, weidete.
Spieltrieb kann gefährlich werden
Europa und ihre Freundinnen wurden natürlich bald auf den schönen Stier aufmerksam. Denn er war wie schon erwähnt, sanft war wie ein Lamm. Sie trieben ihre Spiele mit ihm und er ließ sich allen Schabernack gefallen. Übermütig fasste sich Europa ein Herz und kletterte auf den Rücken des Stieres, um auf ihm zu reiten. Schwerer Fehler! Zeus hatte natürlich nur darauf gewartet, nun konnte er Europa entführen und es wurde ein langer Ritt. Immer noch gut getarnt als Stier eilte er mit seiner Beute Richtung Strand und entschwand im Dunst des Meeres vor den Augen der entsetzten Freundinnen Europas.
Wohin die Reise geht
Zeus als Stier hatte natürlich riesen Kräfte und Ausdauer, denn sein Ritt mit Europa auf dem Rücken ging übers offene Meer und endete erst in Kreta – also im heutigen Europa! Kaum wieder festen Boden unter den Hufen, sorry Füßen, nahm Göttervater Zeus eine menschliche Gestalt an und na, du weißt schon, wohnte Europa bei, so die sagenhafte Umschreibung 😉 Es gibt auch Stimmen, die behaupten Zeus habe sich in einen Adler verwandelt und Europa in dieser Gestalt begattet. Also, wie dem auch sei, er war dabei recht erfolgreich, denn Europa gebar ihm drei Söhne, darunter war auch Minos. Minos wurde später König von Kreta und seine Schiffe beherrschten den ganzen östlichen Mittelmeerraum. Genau hier hauste auch Minotaurus, ein Wesen, das halb Mensch, halb Stier war…
Agenor tobt: so nicht Zeus!
Agenor hatte natürlich den Raub seiner Tochter nicht tatenlos hingenommen. Er sandte unverzüglich seine Söhne, also Europas Brüder, aus, um nach ihr zu suchen. der berühmteste unter ihnen wurde Kadmos. Er fand nach langer Wanderung zwar nicht seine Schwester, dafür aber eine neue Heimat. In Griechenland angekommen, erfüllte er das delphische Orakel. Kadmos gründete die Stadt Theben, brachte deren Einwohner die zivilisatorischen Errungenschaften der Phönizier näher, allem voran die Schrift, wovon wir heute noch profitieren 😉 Das Zeichen für den ersten Buchstaben des Alphabetes, also unser A, das griechische Alpha und das phönizische Aleph, ist nichts anderes als ein stilisierter Stierkopf. Der Stier war den Orientalen heilig, von da an auch den Kretern und den Israeliten. Sie wurden später Nachbarn der Phönizier, die den Stier – zum Ärger Moses als ‚goldenes Kalb‘ verehrten. Es sollte uns daher nicht wundern, dass Zeus im Mythos als Stier erscheint.
Fluchtversuch
Irgendwann hatte Europa echt genug von Zeus und versuchte zu fliehen, wahrscheinlich vorher auch schon das ein oder andere Mal, aber ohne Erfolg. Bei diesem Fluchtversuch, es sollte ihr letzter sein, verlor Europa den Halt und stürzte in den Tod. Zeus war sehr betrübt über ihren Tod und benannte daher den Kontinent Europa, damit er sich ewig an sie erinnert.
Ein wahrlich geschichtsträchtiger Name … es wundert mich bei dem Hintergrund gar nicht, wenn es im heutigen Europa – trotz aller Gemeinsamkeiten – immer wieder zu Unstimmigkeiten kommt. So ein Europatag ist deshalb vielleicht doch gar nicht so schlecht, denn oft genug monieren wir nur den Regulierungswahn der EU, vergessen dabei allzu gerne, welche und wieviele Vorteile wir auch gerade durch Europa haben…
Ich wünsche dir eine europäische Woche!