… oder ist erledigt besser als perfekt? Hier hat jeder sicher schon seine eigenen Erfahrungen gemacht. Trotzdem ein bisschen neugierig?
Ein wenig Theorie zu Beginn: Im Perfektionismus gibt es im Wesentlichen zwei Ausprägungen:
- Streben nach Vollkommenheit (perfektionistisches Streben): Man hat hohe persönliche Standards / Erwartungen an sich selbst, ist extrem organisiert und genau.
- Übertriebene Fehlervermeidung (perfektionistische Besorgnis):
Man hat oft leistungsbezogene Zweifel, verfügt über eine hohe Fehlersensibilität, sieht also sehr schnell Fehler / Unstimmigkeiten, hat aber auch Angst vor der Bewertung von Dritten, oft besonders seitens der Eltern.
Demnach setzen Perfektionisten sich selber und anderen hohe Standards, sie verfügen über eine ausgeprägte Werteordnung und Eigenorganisation. Perfektionisten sind stets bemüht Fehler zu vermeiden, wirken dadurch oft unentschlossen und legen auch als Erwachsene noch großen Wert auf die Bewertung seitens der eigenen Eltern.
Grundsätzlich gilt wohl, dass Perfektionismus das Leben oftmals unnötig verkompliziert. Natürlich gibt es immer wieder Lebensbereiche, in denen es ohne Perfektionismus nicht geht, wobei ich da eher Präzision gefragt sehe.
Denn wenn wir uns im Perfektionismus verstricken, können wir uns kaum weiterentwickeln.
Ich habe hier eine schöne Geschichte für euch, die dies veranschaulicht:
Die buddhistischen Tempel in Japan sind wegen ihrer Gärten berühmt. Vor vielen Jahren gab es einen Tempel, der den schönsten Garten weit und breit aufwies. Er zog Besucher aus dem ganzen Land an, die seine überaus gepflegten Anlagen bewunderten, die in ihrer Einfachheit so reich und üppig wirkten.
Eines Tages kam ein alter Mönch zu Besuch. Er traf kurz vor Morgengrauen ein. Da er herausfinden wollte, weshalb der Garten als der eindrucksvollste von allen galt, versteckte er sich hinter einem großen Busch und beobachtete das Gelände.
Er beobachtete einen jungen Mönch, der mit zwei Körben aus dem Tempel kam. Er sah, wie dieser drei Stunden lang jedes Blatt und jedes Zweiglein aufhob, die vom ausladenden Pflaumenbaum in der Mitte des Gartens gefallen waren. Der junge Mönch nahm jedes Blatt, jeden Zweig in die Hand und betrachtete es gründlich. Bei Gefallen legte er es sorgfältig in den einen Korb, fand er es nutzlos, legte er es in den anderen Korb.
Nachdem kein Blatt oder Zweiglein mehr unter dem großen Pflaumenbaum lag, leerte er den Inhalt des Abfallkorbes auf den Komposthaufen hinter dem Tempel und machte Tee trinkend eine Pause. Dabei stellte er sich geistig auf die nächste Phase seiner Arbeit ein: Er verbrachte weitere drei Stunden damit, sorgsam und voller Aufmerksamkeit jedes von ihm erwählte Blatt und Zweiglein an genau der richtigen Stelle im Garten zu verteilen. Er bewegte den Zweig so lange nach rechts oder links, bis er sich zufrieden lächelnd dem nächsten Blatt zu wandte, das er dann auch genau seiner Form und Farbe entsprechend an einem Platz im Garten deponierte. Sein Sinn fürs Detail war unnachahmlich, stellte der beobachtende alte Mönch fest.
Nun trat der alte Mönch hinter seinem Busch hervor und lächelnd gratulierte er dem jungen Mönch: ‘Großartige Arbeit! Wirklich großartig! Sehr eindrucksvoll! Ich habe dich den ganzen Morgen beobachtet. Dein Fleiß verdient das aller höchste Lob. Und dein Garten … nun, er ist nahezu perfekt.’
Der junge Mönch erblasste und wurde stocksteif. Das selbstzufriedene Lächeln wich aus seinem Gesicht und verschwand im großen Abgrund des Nichts. Denn: alten grinsenden Mönchen ist in Japan mit äußerster Vorsicht zu begegnen!
Er stotterte ängstlich: ‘Was…meinst du mit NAHEZU perfekt?’ … und warf sich dem alten Mönch vor die Füße. ‘Meister! Lehrer! Bitte habe Mitgefühl mit mir! Der Buddha hat dich gesandt, um mir zu zeigen, wie mein Garten wirklich perfekt werden kann! Zeige mir den Weg, oh du Weiser!’
‘Möchtest du das wirklich?’ fragte der alte Mönch ihn mit einem schelmischen Grinsen in seinem Greisengesicht. ‘Oh ja! Bitte, Meister!’
Der alte Mönch ging daraufhin zum Pflaumenbaum, legte seine betagten, aber immer noch kräftigen Arme um dessen Stamm. Mit dem Gelächter eines Heiligen rüttelte und schüttelte er den armen Baum, was das Zeug hielt. Blätter, Zweige und sogar Rindenstücke fielen herab und verteilten sich überall.
Der junge Mönch sah entgeistert zu. Der Garten war ruiniert, die Arbeit eines ganzen Morgens zunichte gemacht. Am liebsten hätte der den Alten erwürgt! Der aber blickte um sich und bewunderte sein Werk. Mit einem Lächeln, das jeden Zorn dahin schmelzen ließ, sagte er sanft zu dem jungen Mann:
‘Jetzt erst ist dein Garten wirklich perfekt.’
(Der perfekte Garten aus ‘Die Kuh, die weinte’ – leicht gekürzt)
Ich wünsche euch von Herzen eine Woche mit vielen Möglichkeiten zur ‘perfekten Weiterentwicklung’ 😉
Namaste,
Birgit