Zugegeben, sie ist schon recht anschauungswürdig…aber ich habe durch ein profanes Kalenderblatt ein Frauenportrait entdeckt, dass mich sofort in seinen Bann gezogen hat und der Künstler gleich dazu
Die mich faszinierende Dame auf dem Bild von Modigliani ist Jeanne Hébuterne, damals ganze 19 Jahre alt und die große Liebe von Amedeo. Aber von Anfang an:
Amedeo Modigliani erblickte im Juli 1884 in Livorno in Italien das Licht der Welt und starb bereits im Januar 1920 in Paris. Er wurde also gerade mal 35 Jahre alt. Er war Zeichner, Maler und Bildhauer, allerdings erlitt er das Schicksal vieler Künstler damals wie heute: Zu Lebzeiten war er nicht sehr berühmt. Seine heutige Bekanntheit verdankt er vor allem seinen Aktgemälden. Zu seiner Zeit natürlich skandalös!
Er hatte drei Geschwister und die ursprünglich gut situierte Familie konnte aufgrund der schlechten Konjunktur nicht mehr vom familieneigenen Holz- und Kohlehandel leben. Die Mutter musste als Privatlehrerin und Übersetzerin – sie war gebürtige Französin – zum Lebensunterhalt beitragen.
Vielleicht bedingt durch die ärmlichen Verhältnisse im Hause Modigliani wurde Amedeo erstmals mit elf Jahren schwer krank, er litt an einer schweren Rippenfellentzündung. 1898, da war er gerade mal 14 Jahre alt, erkrankte er erneut schwer, diesmal an Typhus. Damals galt diese Krankheit noch als tödlich. Laut seiner Mutter hatte er während der Krankheit einen Fiebertraum, in dem er über die künstlerischen Meisterwerke in Italien phantasiert und der ihm damit seine künstlerische Bestimmung aufgezeigt habe. Nachdem klein Amedeo wieder gesund war, erlaubten ihm seine Eltern, die Schule abzubrechen und ein Kunststudium zu beginnen.
Er studierte nun eifrig die Kunst der Antike und Renaissance an der privaten Zeichen- und Malschule des Malers Guglielmo Micheli in Livorno. Parallel dazu lernte er im Atelier von Gino Romiti das Aktmalen. Im Juli 1900 – er war gerade 16 Jahre alt geworden – wurde Modigliani wieder krank, diesmal war es Tuberkulose. Weil Luftveränderung helfen sollte, machte seine Mutter im Winter 1900/1901 eine Reise nach Neapel, Capri und Rom mit ihm. Er schrieb von dort insgesamt fünf Briefe an den neun Jahre älteren Künstler Oscar Ghiglia, mit dem er trotz Altersunterschied befreundet war. In ihnen schilderte er unter anderem seinen Eindruck von Rom: „Rom ist nicht um mich, während ich Dir erzähle, sondern in mir, gleich einem von seinen sieben Hügeln wie von sieben gebieterischen Ideen eingefassten schrecklichen Juwel.“ … bitte nicht vergessen: Er war gerade mal 16 Jahre alt!
Von Rom aus ging es für einige Zeit nach Florenz und dann nach Venedig, wo er bis zu seinem Umzug 1906 nach Paris lebte und künstlerisch tätig war. Als er in Paris eintraf war er 22 Jahre alt und hatte rasch Kontakt zu anderen Künstlern, so lernte er zum Beispiel den namhaften Künstler Pablo Picasso kennen.
Nach seiner Ankunft lebte Amedeo Modigliani anfangs in einem schicken Hotel am rechten Seine-Ufer, es erschien ihm wegen seiner Herkunft aus einer bürgerlichen Familie angemessen. Kurze Zeit später zog er jedoch in das Viertel Montmartre, wo er unter anderem im Bateau-Lavoir lebte, ein kleines Atelier nutzte und Aktzeichenunterricht nahm. Seine Mutter schickte ihm zwar so viel Geld wie es ihr möglich war, aber es reichte ihm nicht zum Überleben. Er musste oft seine Unterkunft regelrecht fluchtartig verlassen und hinterließ dabei so manches Mal seine Kunstwerke, weil er die Miete nicht mehr bezahlen konnte.
Der deutsche Maler Ludwig Meidner beschrieb später Modiglianis Stellung und Auftreten in der Pariser Gesellschaft so: „Unser Modigliani … war ein charakteristischer und gleichzeitig hoch begabter Vertreter der Bohème vom Montmartre; wahrscheinlich sogar der letzte echte Bohèmien. „Denn Modigliani nahm trotz seiner gesundheitlichen Probleme gerne und viel am ausschweifenden Leben der Künstler am Montmartre teil und sagte weder zu Alkohol, Hasch und Opium nein.
Im Frühjahr 1907 lernte Modigliani Paul Alexandre kennen. Der Arzt war von Modiglianis Bildern fasziniert und begann deshalb, ihn zu unterstützen. Er kaufte ihm Bilder und Zeichnungen ab und vermittelte ihm Porträtaufträge. Amedeo Modigliani stellte daraufhin 1907 im avantgardistischen Herbstsalon aus. Im Folgejahr zeigte Modigliani sechs Gemälde im Salon des Indépendants. Seine Bilder fanden allerdings kaum Beachtung. Aber wieder half ihm Paul Alexandre. Er verschaffte Modigliani Zugang zu vermögenden Kreisen und im Frühjahr 1909 erhielt er mit dem Porträtauftrag Die Amazone für die Baronin Marguerite de Hasse de Villers seinen ersten bezahlten Auftrag.
Nun folgten ein paar Jahre, in der er sich weniger der Malerei, dafür der Bildhauerei widmete. Vielleicht weil er mit der Malerei nicht den gewünschten Erfolg hatte, nichts Genaues weiß man nicht… Jedenfalls kam 1910 erstmals die Liebe zu Modigliani: Er lernte die aus Russland stammende Dichterin Anna Achmatova kennen und prompt hatten sie in der folgenden Zeit ein Verhältnis. Wegen der Bildhauerei kehrte Amedeo Modigliani im Frühling 1913 nach Livorno zurück, es gab dort in der Nähe einen Steinbruch. Grundsätzlich eine staubige Angelegenheit und wohl nicht die beste Idee für einen Künstler mit Lungenproblemen. Also hörte er nach kurzer Zeit damit wieder auf, er hatte auch hier bis auf ein zwei Skulpturen wenig Erfolg.
Er zog Anfang 1914 nach Paris zurück, meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst, wurde aber aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht genommen. Welch‘ ein Glück, denn nun lernte der die englische Literatin Beatrice Hastings kennen und über zwei Jahre lieben. 1915 konnte er sogar Pablo Picasso porträtieren und wenig später seinerzeit ebenso berühmte Persönlichkeiten wie Jacques Lipchitz und Chaim Soutine. Er lernte auf Vermittlung des befreundeten Künstlers Moïse Kisling den polnischen Kunsthändler und Dichter Leopold Zborowski kennen. Er unterstützte Modigliani in seinen letzten Lebensjahren. Zborowski und seine Frau Anna nahmen den Künstler in ihre Wohnung auf, weil er sich von Beatrice Hastings getrennt hatte. Der Kunsthändler bezahlte Modigliani sogar ein Tagegeld, das Malmaterial und ließ ihn in seiner Wohnung arbeiten. Später bezahlte er auch noch die Modelle für die Aktgemälde Amedeos!
Bei einer Ausstellung seiner Aktgemälde im Dezember 1917, ausgerechnet gegenüber einer Polizeistation, bemerkte ein Kommissar den Menschenauflauf vor dem Schaufenster, in dem ein Aktbild von Modigliani präsentiert wurde. Er rief die Kunsthändlerin zu sich, forderte sie auf, die Ausstellung umgehend zu beenden und die Bilder abzuhängen, weil diese zu freizügig seien. Um eine Beschlagnahmung der Bilder zu verhindern, kam sie der Aufforderung nach. Skandal, Skandal…!!!
Nun tritt endlich im April 1917 meine favorisierte Dame mit Hut – Jeanne Hébuterne in sein Leben!
Sie studierte Malerei in Paris und kaum kennengelernt, zogen sie auch schon in eine gemeinsame Wohnung. Aufgrund der drohenden deutschen Truppeninvasion verließen sie jedoch 1918 Paris und gingen gemeinsam mit seinem Förderer Zborowski an die Mittelmeerküste, genauer zunächst nach Cagnes-sur-Mer und kurz darauf nach Nizza. Modigliani malte nun viele Porträts, sein bevorzugtes neues Sujet. Neben der Malerei kam die Liebe auch nicht zu kurz, denn im November 1918 bekamen er und Jeanne eine Tochter, die sie ganz phantasiereich ebenfalls Jeanne nannten. Sie waren gar nicht verheiratet, Modigliani musste daher die Vaterschaft offiziell anerkennen, was er mit Freuden tat.
In dieser Zeit lernte er auch Auguste Renoir kennen, denn dieser hatte damals eine respektable Bleibe an der Küste bewohnt. Laut Nachbarschaftsinformationen war es allerdings kein bereicherndes Treffen, die beiden Künstler hätten sich ob der Ratschläge Renoirs an Modigliani heftig gestritten…
Sein Kunsthändler Zborowski war weiterhin sehr rührig und hatte ihm 1919 Ausstellungen in England in Heale und London verschafft. Im Mai ging Modigliani zurück nach Paris, um am Herbstsalon teilzunehmen. In dieser Zeit wurde meine ‚Dame mit Hut‘ Jeanne Hébuterne nochmals schwanger und die beiden verlobten sich. Sowas galt damals als offizielle Heiratsverpflichtung, es sollte jedoch leider anders kommen. Die Eltern von Jeanne waren von Anfang an gegen die Verbindung der beiden Liebenden, was ihnen das Leben auch nicht leichter machte.
Nachdem Amedeo bereits Ende 1919 erneut schwer an Tuberkulose erkrankte, verstarb er am 24. Januar 1920 in der Charité in Paris an den Folgen. Vor lauter Verzweiflung beging seine Verlobte Jeanne am folgenden Tag Selbstmord.
Amedeo Modigliani wurde unter großer Anteilnahme auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beigesetzt und Jeanne Hébuterne wurde später, nachdem ihre Familie den Widerstand dagegen aufgegeben hatte, neben ihm begraben. Ihre gemeinsame Tochter Jeanne, gerade mal ein gutes Jahr alt, wurde von Modiglianis Schwester in Florenz adoptiert.
Aaah, was für ein Leben, welch ein Ende! Und alles war mir bis dato völlig unbekannt. Umso mehr freue ich mich, dass mir die ‚Dame mit Hut‘ so energisch aus dem Kalender entgegen geblickt hat, was wäre mir sonst entgangen.
Ich gebe zu, etwas lang geworden der Artikel heute…. Aber gehört zu einem Leben mit allen Sinnen nicht auch die Kunst mit ihren KünstlerInnen und deren Leben?
Noch ganz verzauberte Grüße sendet dir