Energy flows where attention goes
Wie gehst du mit deiner Aufmerksamkeit um? Worauf richtest du deinen Fokus? Geschieht dies immer bewusst oder läuft bei dir ein gewisser Automatismus ab?
Energy flows where attention goes
Mittlerweile ist es wohl schon allgemein bekannt, dass die Energie dahin fließt, wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Dieses Wissen nutzen auch schon viele therapeutische Ansätze. Besonders bekannt und genutzt wird dies in der systemischen Therapie und in der Hypnotherapie. Milton H. Erickson, ein amerikanischer Psychiater, einer der Begründer der modernen Hypnotherapie sowie Vater des NLP, hat einmal gesagt: “Therapeutische Trance ist fokussierte Aufmerksamkeit, die auf bestmögliche Weise so gesteuert wird, dass der Patient seine Ziele erreicht”.
Eine besondere Form der Aufmerksamkeitsfokussierung nutzt man auch im Appreciative Inquiry (kurz AI), einer Methode aus der systemischen Unternehmensberatung sowie Therapie. Es gibt hierzu eine schöne Geschichte, sie erklärt das Prinzip recht anschaulich. Sie handelt von einem jungen Lakota-Indianer:
Die Lakota und der Tut-nicht-gut
Das Volk der Lakota in New Mexico hat einen jungen Tut-nicht-gut. Er wurde gesehen, wie er Autos und Lastwagen auf dem Parkplatz beschädigte. Befragte man ihn darüber, wurde er ausfällig und abweisend gegenüber Erwachsenen.
Nun wird der ganze Clan an einem Abend zusammengerufen und formt einen grossen Kreis. Der Vater des Jungen schreitet mit ihm in die Mitte des Kreises und schliesst sich dann wieder den anderen Erwachsenen an. Dann beginnt der Vater als erster zu sprechen.
„Du bist unser Erstgeborener, unser Meistgeliebter. Deine Mutter und ich haben uns gefreut, als wir das erste Mal deine Bewegungen im Mutterleib spürten. Wir rannten von Haus zu Haus und erzählten den Leuten, dass du am Leben warst, gesund und stark warst. Und so bist du auch gewesen. Während der Geburt hast du einen so lauten Schrei ausgestoßen, dass man ihn trotz laufendem Radio dreihundert Meter weit gehört hat. Wie waren wir stolz! Wie waren wir glücklich! Du hast uns immer glücklich gemacht. Deine ersten Schritte – oh, wie du in die Pfütze gefallen bist. Der Ausdruck auf deinem Gesicht! Wie haben wir gelacht….“
Und der Vater erzählt immer weiter die schönsten Erinnerungen aus dem Leben seines Sohnes. Kein Wort der Kritik wird geäußert. Die Aufgabe des Vaters besteht darin, den jungen Mann daran zu erinnern, was er seiner Familie, seinem Clan, seinem Volk bedeutet; ihn zu erinnern an all die Freude und das Glück, das er verbreitete; an die Freude, die seine große Familie an ihm hat.
Als der Vater fertig ist, fährt der Onkel fort. Darauf folgen die beiden Großväter. Der Himmel wird dunkler, die Sterne sind klar zu sehen. Es wird lange nach Mitternacht sein, wenn alle ihre Geschichten erzählt haben werden. Nach den Männern sprechen die Frauen in freundlichen Worten und weichem Tonfall; die meiste Arbeit ist auf sie gefallen, von den ersten Wehen bis zum Sparen für seine Schulbücher.
Zum Schluss redet der Häuptling. Er fasst all das bisher gesagte zusammen. Er spricht langsam, mit langen Pausen, wie wenn er den besten Weg für die Erzählung suchen würde. Sein Thema, von dem er nie abweicht, ist das gleiche: der Stolz und die Freude, welcher dieser junge Mann dem Volk der Lakota gebracht hat; den Lebenden, den Verstorbenen und den noch nicht Geborenen. Wie alle früheren Sprecher erwähnt er nie den Vandalismus und die böswilligen Zerstörungen, die Schande, den Ärger, die Sinnlosigkeit, die Gedankenlosigkeit. All das bleibt ungesagt und wird auch nicht angedeutet. Alle Aussagen drehen sich um das Gleiche, nämlich darum, dass dieser junge Mann ein wunderbares Geschenk für alle Leute ist, eines von unschätzbarem Wert.
Nachdem der alte Mann seine Rede beendet hat, gibt er ein klares Zeichen. Der Kreis der Leute steht still, und alle schauen mit grosser Aufmerksamkeit auf den jungen Mann in der Mitte des Kreises. Dann verschwinden sie wortlos in der Dunkelheit der Nacht.
(Quelle: Locating the Energy for Change. An Introduction to Appreciative Inquiry – Charles Eliott)
Als ich diese Geschichte das erste Mal während meiner NLP Practitioner Ausbildung gehört habe, sind mir die Tränen gekommen und ich wurde sehr sehr nachdenklich.
Vielleicht geht es dir nach der Lektüre ähnlich?
Ich bin in Deutschland aufgewachsen und erzogen worden. Es war zu meiner Zeit völlig normal, bei einem ‘Fehler’ massiv darauf hingewiesen zu werden, bis hin zu kleinen Bestrafungen. Schläge gab es in meiner Familie Gottlob nicht. Aber es war immer ein Stückchen Liebes- und Vertrauensentzug, zumindest kam das bei mir und meinen Geschwistern so an. Natürlich ist ein ‘Fehler / Vergehen’ nicht okay, aber wie beim Tu-nicht-gut in der Geschichte oben: wir bestehen doch aus viel viel mehr als diesem Fehler. Wir haben alle ganz ganz viele tolle Seiten, erfreuen unsere Mitmenschen, bereichern unser Umfeld allein durch unsere Existenz!
Wir lernen dadurch von Kindesbeinen an, unsere Aufmerksamkeit / Energie verstärkt auf unsere vermeintlichen Schwächen, Defizite und Fehler zu richten. Wir lernen überhaupt nicht, unseren Blick, unsere Aufmerksamkeit, unsere Wertschätzung für uns selbst auf das Gute, Tolle, Erfreuliche, Bereichernde und Einmalige an und in uns zu richten. Leider verfahren wir genauso mit unseren Mitmenschen: wir sehen immer ganz ganz schnell deren vermeintliche Defizite. Nur kein Mensch besteht nur aus schwarz oder weiß, jeder ist total bunt, sprich vielfältig.
Um also sowohl mich, als auch mein Umfeld, meine Mitmenschen zu ändern (was bekanntlich nur bei uns selber geht!), muss ich meine eigene Wahrnehmung, Sichtweise verändern. Ich muss meine Aufmerksamkeit weg vom Schwachen, hin zum Starken ausrichten!
Beispiel aus dem Arbeitsleben gefällig?
Ein Kollege macht dich mit seiner ‘komm ich heut’ nicht, komm ich morgen’ Mentalität oft genug wahnsinnig. Er zuckt nur mit den Achseln, wenn du ihn auf fehlende Unterlagen ansprichst und gibt sie dir dann, obwohl du diese bereits ein zwei Tage vorher angefordert hast. Wenn es mal wieder vor einem wichtigen Abgabetermin total hektisch wird oder bei einer Kundenpräsentation alles Drunter & Drüber läuft, behält besagter Kollege allerdings die Ruhe und bringt die vorhandenen HB-Männchen mit seiner ruhigen Art irgendwie wieder runter und es klappt dann doch noch alles: der Abgabetermin wird pünktlich eingehalten und die Kundenpräsentation findet doch noch reibungslos statt.
Wenn du dich jetzt immer nur auf seine Schwächen fokussierst, ist er kein wertvoller Kollege für dich. Schaust du jedoch auf seine Stärke brenzlige Situationen und hektische Menschen allein durch seine ruhige Art zu entschärfen, dann ist er sehr wertvoll!
Mache es dir zur neuen Aufgabe, bei dir, deinen Mitmenschen sowie deiner Umgebung deine Aufmerksamkeit mehr auf das Positive zu richten. Du wirst nach geraumer Zeit merken wie sich viele Dinge verändert haben obwohl sich rein faktisch Nichts und Niemand geändert hat – NUR dein Fokus hat eine neue Richtung eingenommen, denn:
*** ENERGY FLOWS WHERE ATTENTION GOES ***
In diesem Sinne wünsche ich dir viele Aha-Erlebnisse und Freude beim Stärken erkennen!
Birgit