Von wegen besinnliche Adventszeit: Jedes Jahr gut vier bis fünf Wochen vor Weihnachten bricht – zumindest in Europa – die nackte Panik in der Bevölkerung aus: die Jagd auf Geschenke und im Geschäftsleben auf den bestmöglichen Jahresabschluss ever beginnt. Völlig bescheuert oder? Warum machen wir das ‘alle Jahre wieder’ und denken jedes mal: nächstes Jahr, also wirklich, nächstes Jahr mache ich da nicht mehr mit!
Im 19. Jahrhundert schrieb Joseph von Eichendorff:
Ist das nicht wunderbar?
Endlich Weihnachten!
Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
sinnend geh’n wir durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus…
Heute habe ich eher den Eindruck, Besinnlichkeit ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten dürfen. Weihnachten und die Zeit davor muss durchorganisiert werden!
Spätestens ab dem 1. Dezember bekomme ich auf die Frage ‘Wie geht’s?’ als Antwort meist ein hektisches “Bin im Stress”. Ab Mitte Dezember wird daraus: “Oh Gott, frag nicht!”. Die absolute Steigerung folgt dann kurz vor Weihnachten mit der Antwort: “Bin ich froh, wenn das vorbei ist!”. Geht’s noch???
Und wenn ich auf solche Fragen nach dem Befinden in der Vorweihnachtszeit locker antworte: “Danke, gut”, gelte ich als eine widerliche Aufschneiderin oder vielleicht wird mir unterstellt, dass ich den Ernst der Lage bisher noch nicht begriffen habe.
In den einst verlassenen Märkten und Straßen von Herrn von Eichendorff schieben und drängeln sich heute Menschenmassen mit Tüten am Arm, gerne auch noch so bepackt zwischen den Glühweinbuden durch … ein bisschen Entspannung darf ja wohl sein. Die Straßen sind verstopft mit hektischen Menschen, die sich eigentlich ganz weit weg wünschen. Wie im 19. Jahrhungert ‘sinnend’ geht hier keiner mehr durch die Gassen, hier herrscht nackte Panik. Jeder will das ultimative Geschenk ergattern und wehe es fällt das Wort “ausverkauft”, dann ist das vorherrschende Gefühl Angst und Frust. Wohl kaum mit Besinnlichkeit zu vergleichen.
Wer jetzt denkt: ich bin schlau und besorge alles online, hat zwar nicht persönlich den Stress auf der Straße und im Kaufhaus, verursacht ihn aber auf der anderen Seite der ‘ virtuellen Ladentheke’. Onlinehändler und der Paketzustelldienst haben in der ach so stillen Zeit Hochkonjunktur und stellen für diese Zeit extra mehr Personal ein, allerdings nur mit Zeitvertrag, denn die nächste ‘Kaufflaute’ kommt bestimmt.
Der ganze Stress und Unfug fängt schon bei den so lieben süßen Kleinen an: Es war einmal, dass der Weihnachtsmann Wunschzettel mit Wünschen nach Puppe, Eisenbahn und Büchern bekam. Heute muss der Weihnachtsmann schon ganz anders informiert sein: Das aller neueste technische Equipment muss es schon sein. Wenn doch Spielzeug, dann irgendwas zwischen Krieg der Sterne, Harry Potter und unzähligen Helden aus Computerspielen, Mangas und Ninja-Kriegern. Mancher Wunschzettel wird da zur echten Herausforderung. Zur Ehrenrettung der ‘lieben Kleinen’ muss ich allerdings erwähnen, dass sie es ja von den ‘Großen’ vorgemacht bekommen: Unter Markennamen oder Kultgegenständen ist auch hier keiner richtig zufrieden.
Wo sind denn die guten Vorsätze vom Vorjahr hin?
Manch einer ist wütend auf sich selbst: er hat es wieder nicht geschafft, sich rechtzeitig zu kümmern. Wieder erledigt er alles in letzter Minute. Dabei hatte er sich fest vorgenommen, diesmal alles anders zu machen:
- Im Oktober ganz entspannt Geschenke kaufen und verpacken,
- Anfang November Plätzchen backen und Adventskalender basteln,
- Im Dezember bis Nikolaus die Weihnachtspost erledigen.
Was man sich eben so zusammen spinnt, wenn im Sommerurlaub gerade mal Entspannung angesagt ist und man an Weihnachten denkt…
Fakt ist jedoch:
Die meisten von uns stehen in Parkhausschlangen und Schlange an den Kassen, um uns herum zig Leidensgenossen. Am Tag vor Heiligabend sind alle völlig fertig. Weihnachten macht aus uns allen Aufschieber, In-letzter-Minute-Einkäufer, erfolglose Jäger. Weihnachten schafft es, das wir anderen Menschen Dinge schenken, von denen wir bereits wissen, dass der Beschenkte seine Freude nur heucheln wird. Wie soll man auch wirklich einen Treffer landen, wenn die Motivation eher gering ist, weil es mittlerweile Pflicht ist, sich zu beschenken.
Eine Freundin von mir klagte mir ihr Leid: Sie sei völlig am Ende mit ihren Nerven, sie müsse an die zwanzig Geschenke besorgen.
Sie hat schon Schlafstörungen, wälzt sich im Bett und überlegt, worüber sich wohl der Sohn ihrer Cousine, die Schwester ihrer Großmutter, ihre Großmutter selber und die Tochter der Nachbarin freuen würden. Sie gesteht, sie würde am liebsten Urlaub nehmen, weil sie doch noch all die Geschenke kaufen müsse und nicht weiß, wie sie das sonst schaffen soll. Das geht allerdings wiederum aufgrund des oben bereits erwähnten Jahresendspurts in der Arbeitswelt nicht.
Für mich riecht das nach: Masse statt Klasse!
Wenn ich das immer wieder so höre, bekomme auch ich Panik, allerdings Panik der etwas anderen Art:
- Darf ich so entspannt sein?
- Darf ich auch ‘nur’ einen lieben Brief an meine Tante ‘verschenken’?
- Womöglich gar nur ein Lächeln an die Nachbarn ‘verschenken’?
- Gehöre ich noch dazu oder bin ich krank…?
Wenn ich mich dem Konsumterror vor Weihnachten entziehe, mir schon rechtzeitig überlege wem ich was schenken will und es dann stressfrei frühzeitig besorge, keine stressigen Familienbesuche quer durch die Republik plane usw., dann bin ich für die Geplagten die reine Provokation!
Doch ich fahre mit dieser Methode gut, kann mir in der Adventszeit tatsächlich die eine oder andere ‘Stille Zeit’ nehmen und, wenn ich will, mir über den Ursprung des Weihnachtsfestes Gedanken machen: Dunkel erinnere ich mich nämlich, dass es ein Fest der Liebe ist. Und zur Liebe gehört auch Selbstliebe!
Es ist ja bekanntlich nie zu spät etwas zu ändern. Warum denkst du nicht zumindest mal darüber nach, dieses Jahr endlich damit anzufangen.
Wenn du Selbstliebe praktizierst, kommt dass deiner Familie, deinem Partner, deinen Freunden und sogar deinen KollegInnen auch zu Gute! Denn sei mal ehrlich: Was gibt es Schöneres, als ein entspanntes Gegenüber in einer drumherum hektischen Gesellschaft?
Für mich ein wahres und sehr wertvolles Geschenk.
In diesem Sinne Wünsche ich dir, dass du es schaffst dich selbst zu beschenken und damit gleichzeitig auch ganz vielen Personen um dich herum ein Geschenk machst…ganz ohne Einkaufsstress und Schleife 😉
Eine doch noch besinnliche Vorweihnachtszeit wünscht dir von Herzen