Da ich diesmal ganz schön lange vor meinem digitalen ‘weißen Blatt Papier’ sitze bevor mir etwas einfällt, kommt mir die
Farbe WEISS gerade recht!
Der Anfang ist diesmal schwer, weil ich mit meinen Gedanken nicht so richtig bei der Sache sein kann, darüber jedoch ein anderes mal … vielleicht.
Also, was will / kann / soll ich schreiben über Weiß?
Darüber, dass die Nichtfarbe im Lichtspektrum die Summe aller Farben ist? Über die verschiedensten Tönungen von schnee- bis cremeweiß? Das ist schon mir zu theoretisch und langweilig, dir wahrscheinlich auch. Ich schaue mich lieber mal im wahren Leben um und schreibe einfach drauf los.
Zum Beispiel von den ‘Halbgöttern in Weiß’ – Ärzte und Pflegepersonal tragen weiße Arbeitskleidung. Ebenso die Zunft der Metzger, Bäcker und Köche.
In der Hightech-Industrie in den Laboren die produzierenden Mitarbeiter. Überall dort, wo Hygiene gefordert wird, ist Weiß die Top-Farbe. Sie steht für Reinheit und Sauberkeit. Bei diesen Worten erscheint vor meinem inneren Auge:
„Nicht nur sauber, sondern rein”, sagte die Frau in weißer Latzhose und weißer Schirmmütze voller Überzeugung.
Klar, das war Klementine!
Irgendwie vermisse ich diese patente Frau, die bis in die 1980iger Jahre Fernsehwerbung für Ariel machte und zur Ikone wurde.
Dabei war sie nur eine von vielen „weißen Damen”, die das strahlendste Weiß, das reinste Weiß oder extra weiße Wäsche versprachen. Das Vorbild aller findet sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts bei Persil, dem ersten „selbsttätigen” Waschmittel, das den Hausfrauen und dienstbaren Geistern damals das noch übliche anstrengende Reiben und Walken der Wäsche ersparte. Der Berliner Künstler Kurt Heiligenstadt schuf, seine Freundin war sein Modell, die berühmte Persil-Dame ganz in Weiß im Jahre 1922 für ein Plakat.
Die Persil-Dame wurde immer wieder den aktuellen Frauentypen und Moderichtungen angepasst, blieb aber bis in die 1960iger Jahre DIE Werbefigur für Persil.
Frauen und Weiß? Ja, ich sehe sie auch immer mal wieder in meiner Stadt Bad Homburg: Vor den Kirchen oder im Kurpark beim Fotoshooting – Bräute! Da man hier an ganz tollen historischen Orten standesamtlich heiraten kann, trifft man auch hier immer öfter Frauen in Weiß:
im Kaiser-Wilhelms-Bad,
in der ‘Alten Schule’ am Schulberg
oder direkt im Bad Homburger Schloss
Jaja, früher! Da durften nur ‘unschuldige’ Frauen in weiß heiraten und es war sogar sittenwidrig, wenn die Braut bereits schwanger war oder gar schon mal geschieden!
Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Heute steht Weiß für Freude und Glück. Außerdem finde ich es schön, dass diese Tradition weiterlebt und man sich für diesen besonderen Tag auch besonders fein macht.
Übrigens: Weiße Brautkleider wurden erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts Mode. Dank Queen Victoria, die 1810 ihren Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha in einem weißen Satinkleid und mit einem weißen Schleier auf dem Kopf geheiratet hatte.
Die Damenmode war damals schon wieder farbiger. In den Jahrzehnten vor und nach 1800 galt dagegen Weiß als die eleganteste Kleidung. Nicht nur das: Ihre Schlichtheit wollte zugleich geistige Größe vermitteln, spätestens seitdem Goethe verlauten ließ:
„Gebildete Menschen haben einige Abneigung vor Farben.”
Naturmenschen, rohe Völker und Kinder hätten hingegen eine große Neigung zur Farbe, meinte der Dichterfürst… ;-).
So symbolisierte Weiß nicht zuletzt daher den gesellschaftlichen Status. Frauen in Weiß hatten Dienstmädchen, sie mussten sich nicht der schmutzigen Hausarbeit widmen.
Eine weiße Weste trägt man durchaus heute noch oder besser: Man hat sie! Wer sie nicht hat, versucht, es tunlichst zu verbergen. Weiß als Sinnbild für Unschuld, für Wahrhaftigkeit fand in dieser Redensart ihren Widerhall. Der weißen Weste darf sich nur ein unbescholtener Bürger rühmen.
Jetzt bin ich gerade so im Fluss und mir fallen noch ein paar interessante Dinge rund um die Farbe WEISS ein:
Zum Bespiel: Weißbier
Eigentlich heißt das Weißbier bei uns Weizenbier. Manche führen das Wort „Weiß” auf „Weizen” zurück, weil das Getreide weißes Mehl liefert. Zwar wird das obergärige Bier aus Bayern aus Weizen hergestellt, ich denke aber die Bayern haben es im Gegensatz zum Dunkelbier so genannt. Jedenfalls wird das Weizenbier mittlerweile auch im preußischen Raum immer öfter zum Weißbier. Sind die Bayern doch auf dem Weg, die Herrschalt über die Preußen zu übernehmen?
Naja, und vom Weißbier zur Weißwurst ist es dann auch nicht mehr weit. Dieses Lebensmittel schafft es auch immer öfter über die Bayerischen Landesgrenzen hinaus, nicht zuletzt seitdem es auf der ganzen Welt Ableger vom Münchner Oktoberfest gibt.
Die Invasion der vor zwölf Uhr zu verspeisenden (woran sich kaum einer mehr hält), weißen, eigentlich eher grau schimmernden, in einem Topf heißer Brühe schwimmenden Wurst ist kaum noch aufzuhalten. Ich weigere mich konstant! Aber, denen die Weißwürste schmecken sei noch mitgegeben: niemals nicht die Wurst über die Längsachse aufschneiden, sondern nur Scheibchen für Scheibchen „schlachten” oder “zuzeln” – geht auch! Außerdem dürfen sie nur mit einem speziellen süßen Senf verspeist werden.
Jetzt bekomme ich Hunger:
Wie wäre es mit einem Picknick in Weiß?
Ganz nach Pariser Vorbild. Dort hatte ein Gastgeber 1988 seine Gartenparty wegen der vielen Leute spontan in den Bois de Boulogne verlegt. Den Gästen gefiel das so gut, dass sie sich fortan jeden Juni an einem öffentlichen Ort wie der Place de la Concorde, dem Innenhof des Louvre oder auf der Champs-Elysees zum „Diner en blanc” treffen. Die weiß gekleideten Teilnehmer bringen Tische, Stühle, Geschirr und Tischdekorationen (alles in Weiß, versteht sich!), kalte Speisen und Getränke mit. Mir gefällt es sehr und ich finde, es gibt schlimmere neue Traditionen, z.B. Halloween. So ein Diner en blanc gibt es auch in meiner Stadt Bad Homburg einmal im Jahr: im Kurpark vor dem Kaiser-Wilhelms-Bad und untermalt von klassischer Livemusik… kann ich nur empfehlen wenn das Wetter mitspielt!
Bei Weiß und Musik fällt mir noch etwas ein: das White Album der Beatles und okay, die „Weißen Rosen aus Athen” von Nana Mouskouri gibt es natürlich auch, für die ganz Harten unter euch ;-).
Das White Album der Beatles bekam
seinen Namen wegen seines Covers
und ging schon allein deswegen in die Musikgeschichte ein. Neben dem Namen der Band gab es lediglich eine Serien-nummer.
Bei Weiß und Kunst fällt mir einer meiner Lieblingsmaler ein: Zu Beginn der Moderne experimentierte Kandinsky, ebenso wie Mondrian und Malewitsch mit der Farbe WEISS, die ihnen als der kürzeste Weg in die Unendlichkeit erschien. Als wahrer „Weißmacher” etablierte sich der 1963 im Alter von nur 29 Jahren verstorbene Italiener Piero Manzoni. Er hinterließ rund sechshundert „unfarbige” Arbeiten: Leinwände, die er mit Gips und Kaolin strukturiert hatte, aus denen er hin und wieder Büschel weißer Glasfasern wuchern ließ.
Mann / Frau muss nur Ideen haben oder?
Ach ja, in Bad Homburg gibt es im Schlosshof den Weißen Turm, er ist das Wahrzeichen meiner Stadt.
Es heißt, dass er um 1370 errichtet wurde, um den Bewohnern der mittelalterlichen Burg Zuflucht vor Feinden zu geben. Ab 1750 ließen ihn die Landgrafen weiß anstreichen – als Symbol ihrer Macht, aber ebenso als weit in die Ferne leuchtende Wegemarke für Wanderer und Reisende, die nach Homburg wollten. Die damaligen Herrscher und Bürger legten großen Wert darauf, dass der Weiße Turm auch weiß blieb, und erneuerten die Farbe, sobald es nötig wurde. Auch heute noch wird der Turm mit Hilfe von Bürgerspenden immer wieder weiß gestrichen.
So langsam geht mir dann doch die weiße Tinte aus und ich beende mein Farbwerk mit einem Gedanken des englischen Schriftstellers G.K. Chesterton (Father Brown):
„Weiß ist nicht nur die Abwesenheit von Farbe. Es ist eine scheinende und verstärkende Farbe, so wild wie Rot, so entschlossen wie Schwarz.”
In diesem Sinne wünsche ich euch eine farbenfrohe weiße Woche!