Ostern ist erst ein paar Tage her, ich habe mich über die Ostertage im Burgund / Frankreich getummelt und bin dort ganz unverhofft auf einen bekannten Herrn gestoßen:
Den heiligen Bernhard von Clairvaux.
Er wurde um 1090 auf Burg Fontaine-lès-Dijon bei Dijon geboren und starb am 20. August 1153 in Clairvaux bei Troyes. Sein Leben & Wirken ist also schon einige Zeit her und doch ist sein Wirken als mittelalterlicher Abt, Kreuzzugsprediger und Mystiker bis heute unvergessen. Er war einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens und war maßgeblich für die Ausbreitung des Ordens in ganz Europa verantwortlich. Im Laufe seines klösterlichen Lebens hatte er zahlreiche Schüler, einer davon war der spätere Papst Eugen III. Dieser Papst unterstützte Bernhard von Clairvaux oft bei seinen zahlreichen Ordensanliegen und war ihm sehr verbunden. Ebenso erging es Bernhard von Clairvaux und so entstand sein Traktat De consideratione – Über die Selbstbesinnung (1148-1153), die er Papst Eugen III. widmete.
Diese Schrift enthält u.a. Ratschläge an den Papst zur Kirchenleitung und zur Erhaltung einer geistlich bestimmten Lebensführung in einem pflichtenreichen Alltag. Und wer kennt ihn nicht, den Spagat zwischen Berufs- und Privatleben, zwischen Anforderungen von außen und den eigenen Bedürfnissen. De consideratione ist in meinen Augen heute mindestens genauso aktuell wie damals. Es wirkt auf mich wie ein gutes Coaching….
Bernhard von Clairvaux schreibt an Papst Eugen III., der früher sein Schüler war:
Wo soll ich anfangen? Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit Dir.
Ich fürchte, dass Du, eingekeilt in Deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb Deine Stirn verhärtest; dass Du Dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst. Es ist viel klüger, Du entziehst Dich von Zeit zu Zeit Deinen Beschäftigungen, als dass sie Dich ziehen und Dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem Du nicht landen willst.
Du fragst an welchen Punkt? An den Punkt, wo das Herz anfängt, hart zu werden. Frage nicht weiter, was damit gemeint sei: wenn Du jetzt nicht erschrickst, ist Dein Herz schon so weit.
Das harte Herz ist allein; es ist sich selbst nicht zuwider, weil es sich selbst nicht spürt. Was fragst Du mich? Keiner mit hartem Herzen hat jemals das Heil erlangt, es sei denn, Gott habe sich seiner erbarmt und ihm, wie der Prophet sagt, sein Herz aus Stein weggenommen und ihm ein Herz aus Fleisch gegeben. Wenn Du Dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für Besinnung vorsiehst, soll ich Dich da loben?
Darin lobe ich Dich nicht. Ich glaube, niemand wird Dich loben, der das Wort Salomons kennt: “Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit” (Sir 28,25). Und bestimmt ist es der Tätigkeit selbst nicht förderlich, wenn ihr nicht die Besinnung vorausgeht.
Wenn Du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1.Kor 9,22), lobe ich Deine Menschlichkeit – aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst Du aber voll und echt sein, wenn Du Dich selber verloren hast? Auch Du bist ein Mensch. Damit Deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst Du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für Dich selbst ein aufmerksames Herz haben.
Denn, was würde es Dir nützen, wenn Du – nach dem Wort des Herrn (Mt 16,26) – alle gewinnen, aber als einzigen Dich selbst verlieren würdest? Wenn also alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest einzig Du selbst nicht von Dir alles haben? Wie lange bist Du noch ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt (Ps 78,39)? Wie lange noch schenkst Du allen anderen Deine Aufmerksamkeit, nur nicht Dir selber? Ja, wer mit sich schlecht umgeht, wem kann der gut sein?
Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer, ich sage nicht: Tu das oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.
(aus: Bernhard von Clairvaux, Gotteserfahrung und Weg in die Welt. Hrsg. B. Schellenberger, Otto Walter Verlag, Olten 1982)
Eine achtsame Zeit für dich selber wünscht dir