Klar doch! …so oder so ähnlich ist vielleicht deine erste Reaktion auf meine obige Frage. Du bist Luise oder Anton oder …. Stimmt, stimmt aber nur zum Teil. Damit du mir folgen kannst und ich dir – hoffentlich – einen Anstoß zum Weiterdenken gebe, ließ hier.
Neulich war ich auf einem kleinen Seminar mit einer mir bis dahin völlig unbekannten Gruppe von Menschen. Der Seminarleiter fragte so Dies & Das in die Runde und den einen Teilnehmer fragte er direkt: Wo hast du deutsch gelernt?
Ups, ein Schweigen erfüllte plötzlich den Raum und es war fast greifbar, wie die Stimmung zwischen Verunsicherung und einer Art von Empörung hin und her schwankte. Der Seminarleiter schaute weiterhin total freundlich und offen in die Runde und besonders den Gefragten an. Diesem war seine Irritation vom Gesicht abzulesen und jeder konnte sehen wie es in ihm arbeitete: Spreche ich so schlechtes Deutsch? Sehe ich aus wie ein Nicht-Deutscher? Was will er jetzt von mir? Habe ich mich falsch ausgedrückt?… Nach gefühlt einer Ewigkeit fasste der Seminarleiter nach und fragte den Teilnehmer direkt: Aus welcher Region in Deutschland kommst du? …puuuuuuuh, alle atmeten spürbar erleichtert aus, der Teilnehmer lachte und antwortete: ausch Karlschruh’.
Warum erzähle ich dir diese Episode?
Sie ist harmlos, aber doch geeignet um dich aufhorchen zu lassen. Wie oft werden wir etwas gefragt, hören gar nicht bis zum Ende der Frage zu, sondern sind im Geiste schon bei der Antwort, weil wir ja wissen, was der Frager wissen will… Das ist die eine Seite der Medaille und auch nicht gut, denn wir sind nicht im Hier & Jetzt, sondern eilen schon wieder voraus. Die andere Seite der Medaille ist, dass wir uns um so manche Möglichkeit bringen, den tieferen Sinn der Frage zu erfassen.
Eine kleine Story dazu:
Eine Frau lag im Koma. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sie käme in den Himmel und stünde sozusagen vorm Richterstuhl.
Wer bist du? fragte eine Stimme.
Ich bin die Frau des Bürgermeisters, erwiderte sie.
Ich fragte nicht, wessen Ehefrau du bist, sondern wer du bist.
Ich bin die Mutter von vier Kindern.
Ich fragte nicht, wessen Mutter du bist, sondern wer du bist.
Ich bin Lehrerin.
Ich fragte nicht nach deinem Beruf, sondern wer du bist.
Und so ging es eine ganze Weile weiter. Alles was sie erwiderte, schien keine befriedigende Antwort auf die Frage ‘Wer bist du’? zu sein.
Ich bin eine Christin.
Ich fragte nicht, welcher Religion du angehörst.
Ich bin die, die jeden Tag in die Kirche ging und immer den Armen und Hilfsbedürftigen half.
Ich fragte nicht, was du tatest, sondern wer du bist.
Tja, offensichtlich bestand die Frau die Prüfung nicht, denn sie wurde zurück zur Erde geschickt. Als sie wieder gesund war, beschloss sie, herauszufinden, wer sie war.
(entnommen aus ‘Der Indianer und die Grille’)
Und du?
Wüsstest du die Antwort? Kannst du etwas über dich sagen, was über deinen Namen, Beruf und Familienstand etc. hinausgeht? Was sozusagen ‘tiefer geht’? Es geht hier gar nicht darum, dass du dies einem anderen Menschen mitteilen kannst, sondern viel mehr darum, dass du es für dich selber weißt und auch – in erster Linie für dich – artikulieren kannst.
Wie kommst du dir selber auf die Schliche?
Wenn es dir wie mir gegangen ist, dann hast du jetzt erstmal etwas geschluckt und so vor dich hin gedruckst. Vielleicht hilft es dir, wenn du einfach mal die nachstehenden Bereiche für dich durchgehst und dich fragst, wo und wie du dich dort jeweils einordnen kannst.
Die nachstehenden Bereiche / Ebenen beziehen sich auf das Persönlichkeits- und Erlebnismodell nach Robert Dills:
Zugehörigkeit: Sie ist die erste Ebene und stellt Fragen wie ‘Warum sind wir hier?’ ‘Was ist der Sinn des Lebens?’ … Jede Veränderung auf dieser Ebene hat tiefgreifende Auswirkungen auf alle anderen Ebenen.
Identität: Hier geht es um unser grundlegendes Selbstbild, unsere tiefsten, zentralsten Werte und unsere Aufgabe im Leben.
Werte: Werte sind Richtschnuren für unsere Orientierung im Leben.
Überzeugungen: Sie sind die unterschiedlichen Leitideen, die wir für wahr halten und sind die Grundlage unseres alltäglichen Tuns. Sie können sowohl Erlaubnisse wie z.B. ‘ich schaffe das’ als auch Einschränkungen wie z.B. ‘das klappt eh nicht’ enthalten.
Fähigkeiten: Dies sind die Fertigkeiten und Strategien, die wir in unserem Leben benutzen.
Verhalten: Dies sind die konkreten Handlungen, die wir ausführen, unabhängig von unseren Fähigkeiten.
Umwelt: Das ist alles, worauf wir reagieren, unsere Umgebung und andere Menschen, denen wir begegnen.
Eine Veränderung auf einer Ebene hat auch Veränderungen auf den anderen Ebenen zur Folge. Veränderungen wirken also in alle Richtungen!
Auf geht’s!
Wenn du wirklich wissen willst, wer du bist, dann nimm dir Zeit, Zettel und Stift und leg los. Und denk dran: Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden, du kannst ruhig immer mal wieder hinterfragen wer du bist. Schritt für Schritt kommst du deinem Ziel, deinem wahren ICH näher.
Ich wünsche dir eine ‘fragende’ Woche mit ‘Antworten’.
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