Ohne sie würde unser Körperinneres formlos in sich zusammenfallen – ohne Halt und ohne Spannung! Schützend umhüllen sie jeden Knochen, jedes Organ und jeden Muskel. Von was ich spreche?
Sie sind wellenartig angeordnet, wie eine Art Gitter. An manchen Stellen sind sie so zart und filigran wie Spinnennetze: durchsichtig schimmernde Fäden mit kleinen Verdickungspunkten, die an glänzende Tautropfen erinnern. Ausgehend von diesem zarten Gewebe gehen stärkere Strukturen hervor…. Was mich so fasziniert?
Unsere Faszien!
Unser Fasziennetz gibt es in den unterschiedlichsten Formen. Mal breitflächig wie im Lendenbereich oder in beutel- und taschenartigen Umhüllungen wie bei den einzelnen Organen. Der Begriff Faszien ist erst seit einigen Jahren populär geworden, früher nannte man dieses Gewebe einfach Bindegewebe, weil es die einzelnen Körperteile ja irgendwie auch miteinander verbindet, nicht nur umhüllt. Solange wir jung sind, ist das Gewebe geschmeidig und elastisch, Faszien bestehen etwa zu 80 Prozent aus Wasser. Doch mit jedem Lebensjahr werden Faszien steifer und unbeweglicher, der prozentuale Wasseranteil nimmt ab.
Wenn wir hier nicht gegensteuern, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir Beschwerden bekommen. Die Wissenschaft steht zwar quasi noch am Anfang, was das Lüften der Fasziengeheimnisse betrifft, aber eines wurde schon erkannt: Faszien können Schmerzen verursachen, gerne im Rücken und Schulterbereich, aber auch an Händen und Füßen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Faszien eigentlich überall Schmerzen verursachen können. Logisch, da sie unseren kompletten Körper als geschlossenes System durchziehen.
Früher eher unbekannt und heute fast in aller Munde
Als noch kein Mensch von Faszien sprach, waren sie zwar schon vorhanden, aber führten in der Medizin eher ein Schattendasein. In der Anatomie galt das Gewebe eher als Abfallprodukt, wertloses Verpackungsmaterial, und wurde zum Beispiel am Seziertisch als erstes entfernt, damit die Halbgötter in Weiß auch etwas sehen konnten.
Erst seit ein engagierter Feldenkrais-Lehrer und lizenzierter ‚Roller‘ verhalf dem ‚wertlosen Verpackungsmaterial‘ zu vor wenigen Jahren zu Ruhm und Ehre: Dr. Robert Schleip, heute einer der renommiertesten Faszienforscher weltweit.
Osteopathen zum Beispiel haben schon lange den Ansatz, Faszien bei ihrer manuellen Tätigkeit besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ebenso beim Rolfing, so genannt nach ihrer Erfinderin Ida Rolf, hier rückt man gezielt dem Bindegewebe auf den Leib.
Da unsere Faszien bei jeder unserer Bewegungen beteiligt ist, entscheiden sie aufgrund ihrer Verfassung – beweglich oder steif – ob und wie wir uns in unserem Körper bewegen: geschmeidig oder schwerfällig. Außerdem weiß man heute, dass die Faszien – und nicht die Bandscheiben – offenbar für die allermeisten Rückenbeschwerden verantwortlich sind.
Zusammenhalt … im wahrsten Sinne des Wortes
Unsere Knochen sind durch Faszien miteinander verbunden und durch die Spannung der Faszien sorgen diese dafür, dass alles prima zusammenhält.
Jede unserer Bewegungen ist durch die Schwerkraft bestimmt und je optimaler das System aus Druck und Spannung funktioniert, desto besser können wir ihr trotzen. Im Klartext: ist dein Gang federnd und elastisch, kannst du deinen Kopf und Nacken aufrecht halten.
Leider sitzen wir heute – fast – alle zu viel und zu lange und schon passiert es: wir bekommen einen Rundrücken und unser Schulter-Nackenbereich ist eher dauerverspannt, denn elastisch. Je nach Typus ziehen wir die Schultern hoch und den Kopf ein oder lassen Kopf und Schultern hängen. Automatisch gehen wir schwerfälliger, bekommen die Füße mitunter kaum vom Boden. Das filigrane Fasziennetz findet sowas gar nicht toll und schon kommt das sensible Zusammenspiel aus Druck und Zugspannung aus dem Gleichgewicht. Du merkst es dadurch, dass du Schmerzen hast!
Auch starke Muskeln können schmerzen
Mittlerweile weiß man, dass auch Verspannungen und Fehlhaltungen an Rücken- und Gelenkschmerzen schuld sein können. ‚Normalerweise‘ werden dann die Muskeln massiert und es gibt gezielte Trainingseinheiten, die Faszien werden nicht berücksichtigt. Obwohl sie nachweislich oft genug die Beschwerden verursachen. Du erinnerst dich: Jeder Muskel ist durch Fasziengewebe von seiner Umgebung abgegrenzt. Es sorgt dafür, dass er sich unabhängig bewegen kann, und vermindert Reibungswiderstände. Zwischen den Faszien fließt Lymphflüssigkeit. Dass sie in Bewegung bleibt, ist enorm wichtig, denn sie transportiert Nährstoffe zu den Zellen und schafft Abfallprodukte fort. Doch sie kann nur im Fluss bleiben, wenn auch die Faszien aktiv sind. Bewegen wir uns nicht, kann das dazu führen, dass die Grundsubstanz des Bindegewebes zähflüssig wird. Dadurch verkleben die Faszien miteinander, es entstehen sogenannte cross-links, man spricht auch von Verfilzungen. Die Faszien verlieren ihre Gleitfähigkeit, wodurch wiederum die Muskeln nicht mehr geschmeidig aneinander vorbei gleiten können.
Die Folge: Du fühlst dich verspannt und deine Muskeln geben dir ein Gefühl, als würden sie festgehalten werden und du kannst dich nicht mehr unbeschwert bewegen, du hast ‚irgendwie‘ den Eindruck, dass deine Muskeln verkürzt sind.
Besonders häufig kommt das im Lendenwirbelbereich vor. Laut Faszienforschung gilt die Lendenfaszie als ein Hauptverdächtiger bei akuten Rückenschmerzen. Faszien reagieren auf kleinste sogenannte Zerrverletzungen und lösen sofort gemeine Schmerzen aus. Beispiel gefällig: Du machst eine für dich vielleicht ungewohnte Bewegung, zum Beispiel hebst du eine schwere Getränkekiste. Sind deine Lendenfaszien jetzt nicht in Topform, fehlen Kraft und Elastizität, um deinem Muskel beim Vorbeugen einen Teil der Last abzunehmen. Und Zack, dein filigranes Fasziennetz im Lendenbereich reißt, der Schmerz schießt dir regelrecht in den Rücken – gerne auch Hexenschuss genannt – und plötzlich blockiert deine Rückenmuskulatur und du kannst dich nicht mehr bewegen.
Damit es gar nicht erst soweit kommt
Um dir, deinem Rücken & Co. solche schmerzhaften Momente zu ersparen, solltest du vorbeugen, indem du dich dehnst, dich reckst und dich streckst! Sowas nennt man auch ganz trendy: Faszienpflege.
Pflege ist hier gleichbedeutend mit dehnen. Am besten in alle dir und deinem Körper möglichen Richtungen 😉
Super dafür geeignete und allseits bekannte Sportarten sind hier Yoga oder Tai-Chi. Die während dieser Bewegungsarten entstehenden Zugbe- und entlastungen machen oder halten dein Fasziengewebe schön geschmeidig, die Gewebezellen können altes Kollagen abtransportieren und sind im Bedarfsfall – siehe Getränkekasten – voll einsatzfähig.
Im akuten Schmerzfall helfen natürlich Massagen, sie lockern das Bindegewebe, also die Faszien auf. Du kannst dir auch hier selbst helfen, indem du dir eine Faszienrolle anschaffst. Dank guter Marketingstrategien besser als Blackroll bekannt. Die Rollen sind aus hartem Schaumstoff und je nach Härtegrad in unterschiedlichen farblichen Einsprenkelungen erhältlich.
Tipps von einer leidgeprüften Anwenderin
- Kauf dir eine Original Blackroll, die Nachahmer sind leider meistens eher zweite Wahl, wenn vielleicht auch wesentlich günstiger.
- Kauf dir eine Rolle mit mittlerem Härtegrad (Blackroll orange), keinen falschen Ehrgeiz bitte!
- Mache die Übungen nur auf hartem und rutschfestem Untergrund, also Fußboden mit Teppich oder auf einer rutschfesten Matte, niemals im Bett!
- Die ersten Versuche sind ausgesprochen schmerzhaft, versprochen! 😉 … es wird aber wirklich und ehrlich mit jeder Anwendung besser, ebenfalls versprochen! 😉
- Wenn es arg schmerzt, einfach mit der schmerzenden Stelle auf der Rolle liegen bleiben und so entspannt wie möglich ein paar (ca. 8 – 10) tiefe und bewusste Atemzüge machen. Dann weiter rollen.
- Optimal für deine Faszienelastizität und damit auch schmerzfreie Beweglichkeit, ist natürlich eine tägliche Anwendung, aber auch 2 – 3 mal die Woche sind schon hilfreich.
Noch ein paar faszienfreundliche Übungen ohne ‚Gerätschaft‘
DER SCHLANGENTANZ
Du stehst mit leicht gebeugten Knien, die Beine hüftbreit auseinander, die Hände oberhalb der Knie abgestützt. Die Daumen zeigen nach außen. Beginne mit schlangenartigen Bewegungen vor, zurück und seitwärts, die immer größer werden. Schleifen, Kreise, Pendeln – alles ist erlaubt. Nach 3 bis 5 Minuten die Bewegungen kleiner werden lassen und langsam aufrichten.
Besonders gut für: Nacken- und Rückenfaszien
GEGEN DIE WAND
Stell dich gerade vor eine Wand mit einem Abstand von 50 bis zu 100 cm, je nach eigener Körpergröße. Lass dich gegen die Wand fallen und stoß dich mit beiden Händen ab. Die ersten drei bis fünf Mal setzt du die Hände gerade vor dir auf, dann variierst du in alle Richtungen: rechts, links, oben und unten.
Besonders gut für: Schultern- und Nackenfaszien
STRECKEN & WIPPEN
Du sitzt mit gestreckten Beinen auf dem Boden. Nun fasst du mit der rechten Hand an den linken Fuß und streckst die linke Hand gerade nach vorne aus. In langsamen wippenden Bewegungen fühlst du die Dehnung durch deinen ganzen Körper ziehen und wechselst dann die Seite.
Besonders gut für: Rücken-, Waden- und Oberschenkelfaszien, speziell an der Unterseite.
SPRING INS FELD
Stell Dir vor, in deinen Füßen sei eine Sprungfeder. Beginne mit kleinen Sprüngen auf der Stelle. Achte darauf, möglichst lautlos auf den Zehen und dem Vorfuß aufzukommen, also nicht ‚platschen‘. 😉 Spring dann zu beiden Seiten und bemühe dich um elastische Bewegungen. Wenn du außer Atem bist, kannst du aufhören…
Besonders gut für: Faszien an den Füßen und Waden sowie für deine Achillessehne
Ich hoffe es ist klar, dass du diese Übungen nur durchführen solltest, wenn du keine körperlichen Einschränkungen hast, sonst frage bitte vorher deinen Arzt oder Physiotherapeuten was für dich machbar ist!
Außer für leichten ‚Faszienkater‘ übernehme ich keinerlei Verantwortung!
In diesem Sinne wünsche ich dir geschmeidig faszinierende Faszien und viele kleine und große Erfolgserlebnisse bei den Übungen selbst und auch ganz generell bei Alltagsbewegungen.
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