Aktuell sind wir alle extrem viel zu Hause und sehen vielleicht Dinge, die wir bisher gerne eher ignoriert haben: Die ewige Kruschelschublade, die Abstellkammer oder wahlweise der total überfüllte Keller bzw. die Garage, die dein Auto schon seit Ewigkeiten nicht mehr von Innen gesehen hat, da total zugestellt 😉
Tja, so sind wir: Wir horten gerne, können uns mitunter schlecht trennen oder denken bei so manchem Gegenstand ‚das kann ich vielleicht irgendwann nochmal gebrauchen‘.
Und wie sieht es in deinen Erinnerungen aus?
Gehörst du zu der Spezies Mensch, der Schnappschüsse von besonderen Momenten in Fotoalben sammelt, um dir Erinnerungen an Abschlussfeier, bestandene Prüfungen, Hochzeit, Geburtstage oder deines Babys erste Schritte für immer zu bewahren? Alles bestens, solche Ereignisse sind ja auch positiv für dich und dein Leben, kannst du dir gar nicht oft genug in Erinnerung rufen 😉
Und die weniger guten Erinnerungen?
Wie steht es denn um deine persönlichen Niederlagen, egal ob privat oder beruflich, schmerzhaften Trennungen oder deinem Krankenhausaufenthalt? Gib es zu: Davon hast du keine Fotos gemacht oder gar bewusst ein Fotoalbum angelegt. Und trotzdem schleppst du auch diese Eindrücke wie ein Fotoalbum ständig mit dir herum.
Auch dieses Fotoalbum heißt Gedächtnis!
Wir alle haben so ein zweites Fotoalbum, das mit den unangenehmen Erinnerungen, es ist unser Gedächtnis. Darin speichern wir zwar auch unsere schönen Momente, aber – ganz menschlich – betrachten die meisten von uns mit Vorliebe ganz besonders oft die quälenden Szenen von bösen Streitigkeiten oder niederschmetternden Enttäuschungen in diesem zweiten Album. Wir sind geradezu Meister im Erstellen ganzer Collagen unserer eigenen Fehler, auch Verletzungen aller Art sind da zusammengestellt. In einem normalen Fotoalbum würden du und ich solche Bilder wohl kaum aufheben, oder? Warum dann also in unserem Gedächtnis? Ergo:
Höchste Zeit, innerlich auszumisten!
Los geht’s, gehe dein zweites Album durch und ersetze die unguten Bilder in deinem Kopf mit Erinnerungen an schöne Momente: die Versöhnung mit deiner besseren Hälfte nach einem Streit, die Überraschungsparty zu deinem Geburtstag, das Aufblitzen der Sonne an einem regnerischen Tag, das Glücksgefühl, das du nach einer Jobzusage empfunden hast. Hilf dir selbst auf die Sprünge, du hast mehr gute Erinnerungen in deinem inneren Fotoalbum als du glaubst 😉
Jaja, denkst du jetzt vielleicht. Das klingt alles schön und gut, aber wie soll das funktionieren? Schließlich hat auch dein Gedächtnis keine Löschtaste, die du bloß drücken musst und Schwups alles Negative ist weg und die positiven Erinnerungen überwiegen.
Okay, hier kommt eine Übung für deine innere Ausmistaktion:
Ich habe sie von Ajahn Brahm übernommen, er hat sie entwickelt und nennt sie Stockzeremonie. Diese Basisübung beruht auf einer Erkenntnis seines buddhistischen Lehrers Ajahn Chah, der eines Tages auf dem Rückweg von seinem morgendlichen Almosengang einen Stock aufhob, ihn in der Hand wog, bevor er ihn ins Gebüsch schleuderte und lakonisch feststellte: „Schwer ist ein Stock nur, solange ihr ihn festhaltet.“
Los geht es mit dem Ausmisten / Loslassen: Du nimmst dir einen großen Zettel und schreibst alle deine schlechten Erinnerungen die dir gerade einfallen auf dieses Blatt Papier. Nun brauchst du einen mehr oder weniger großen Stock, um den du dieses Blatt Papier mit deinen schlechten Erinnerungen wickelst.
Danach gehst du mit deinem ‚Papierstock‘ in den Wald spazieren. Suche dir ein ruhiges Plätzchen, halte deinen Stock fest, mache dir das Gewicht all deiner schlechten Erfahrungen bewusst und dann wirfst du deinen Stock so weit weg wie du kannst. Mache das so bewusst und kraftvoll wie möglich, dieser körperliche Akt ist sehr wichtig, um deinem Loslassen Kraft und Nachdruck zu verleihen.
Kein Wald? Kein Stock?
Macht nix, falls du keinen Wald in der Nähe hast, gibt es auch eine einfachere Stadt-Variante dieser Zeremonie: Schreibe deine schlechten Erinnerungen auf die Sorte Papier, das dafür wie gemacht ist: Toilettenpapier! 😉 Und dann wirf es in die Kloschüssel, gerne kannst du es vorher noch in kleine Papierschnipsel zerreißen, aber dann: Betätige die Spülung! Du wirst sehen, es funktioniert.
Fazit:
Wir alle erstellen permanent innere Alben, gute wie schlechte. Leider belasten uns unsere schlechten Erinnerungsalben, daher gilt auch hier: Regelmäßiges Ausmisten / Loslassen erleichtert, schafft Platz für neue – möglichst positive Erinnerungen, die dir – wenn nötig – beim nächsten Tief schneller wieder hoch helfen können.
Ich wünsche dir eine losgelassene Zeit